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Data Economics

Materna stellt ein Architekturmodell für föderales Datenmanagement vor.

Data Economics

Bürger, Privatwirtschaft und öffentliche Hand – alle können von der Data Economy profitieren. Doch wie lassen sich die Interessen an der Verfügbarkeit von Daten mit dem Recht der unterschiedlichen Beteiligten auf Datensouveränität nachhaltig vereinbaren? Materna stellt ein Architekturmodell für föderales Datenmanagement vor. 

 

Datenschätze smart heben

„Wer über föderales Datenmanagement redet, muss die Herausforderungen kennen“, sagt Thomas Feld, Vice President Data Management und AI bei Materna. Und die sind enorm. An oberster Stelle steht die fehlende Verfügbarkeit der Daten: „Bis heute sind erst 20 Prozent der Daten digital zugänglich“, so Feld. Zwar können bereits viele Anträge online gestellt werden, doch noch steht das Gros der Daten für die anschließenden Prüf- und Kontrollprozesse nicht zur Verfügung.  Thomas Feld ist überzeugt:

„Die Zeit ist reif, alle relevanten Daten für digitale Prozesse verfügbar zu machen. Mit vertretbarem Aufwand und so, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und die Rechte der beteiligten Parteien an diesen Daten geschützt werden, dass also ihre Datensouveränität gewahrt bleibt. Gemeinsam mit unseren Kunden heben wir den Schatz, der in den Daten liegt. Davon profitieren alle Beteiligten.“  

 

Wo lohnt sich die Datenökonomie? 

Um den ökonomischen Nutzen der Daten zu erschließen, gilt es zunächst zu analysieren: Welche Anforderungen haben einzelne Behörden, Unternehmen, Privatpersonen an die Daten und an auf ihnen basierende Prozesse? Welchen Nutzen erwarten sie? Welche Rechte haben sie an ihren Daten und welche Erwartungen daran, dass diese bestmöglich zu ihrem Vorteil genutzt werden? Was brauchen die Technologiedienstleister und Regulierungsbehörden des gesetzeskonformen Datenaustauschs, um ihre Aufgaben erfüllen zu können? Und wie lassen sich all diese Aspekte bei der Entwicklung neuer Datendienste berücksichtigen, insbesondere beim Einsatz Künstlicher Intelligenz?  

Um diese und weitere Fragen zu klären, arbeiten zahlreiche Gremien und Projektteams auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung an Datenmodellen, Infrastrukturkonzepten, digitalen Bebauungsplänen und Regelwerken auf nationaler und internationaler, insbesondere europäischer, Ebene. Auf Basis ihres Know-hows hat Materna ein Konzept für das föderale Datenmanagement entwickelt, das bereits in mehreren Projekten, insbesondere zur Umsetzung der europäischen GAIA-X Architektur für digitale Souveränität, zum praktischen Einsatz kommt. 

 

Potenziale in allen Fachbereichen 

Der Nutzen datengetriebener Verwaltungsprozesse, wie sie das Onlinezugangsgesetz (OZG) fördern möchte, zeigt sich in Anwendungsszenarien über alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung hinweg. So können integrierte Onlinedienste und Register in der digitalen Verwaltung auf Bundes- und Länderebene helfen, Bedarfe zu ermitteln und Planungsvorhaben zu verkürzen, indem sie die Datenerhebung vereinfachen und beschleunigen. In Kombination mit KI-basierten Prüf- und Genehmigungsverfahren hätten sie beispielsweise die Auszahlung der Corona-Hilfen für Unternehmen in den Jahren 2020 und 2021 erheblich beschleunigen und so manche Insolvenz vermeiden können. Und das ohne den massiven Personaleinsatz, der teilweise andere Verwaltungsbereiche lahmlegte. Bei der Betrugs- und Missbrauchserkennung helfen Data Analytics und Data Science, sodass öffentliche Mittel effektiver verwendet werden können. Darüber hinaus lassen sich Entwicklungsberichte und Prognosen sehr viel schneller und gezielter erstellen.  

Im Bereich Mobilität und Verkehr sind bereits intelligente Verkehrssteuerungs-, Simulations- und Prognoseverfahren im Entstehen, die je nach aktueller Situation den Verkehrsfluss oder den Klimaschutz priorisieren. Dynamische Lagebilder mit KI-gestützter Datenanalyse kommen dabei ebenso zum Einsatz wie beim optimierten Einsatz der Organe der Inneren Sicherheit – etwa beim Katastrophenschutz. 

Der rechtliche Rahmen: Datensouveränität 

Der Handlungsdruck auf die europäischen Verwaltungen ist immens. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Beispiele in diesem Artikel. Auch um die europäische Digitalwirtschaft international wettbewerbsfähig zu halten, braucht sie einen verlässlichen rechtlichen Rahmen. Entsprechende Entwicklungen laufen bereits. Der Data Governance Act vom 30. Mai 2022 beispielsweise definiert den souveränen Datenaustausch zwischen Unternehmen, Privatpersonen und der öffentlichen Hand. Dabei orientiert sich die Richtlinie im Wesentlichen an den Grundsätzen der DSGVO. Das gilt auch für den EU Data Act, der 2024 umgesetzt werden soll. Zunächst als Europäische Richtlinie, die dann zeitnah in nationales Recht umzusetzen ist. Dabei wird Deutschland als Treiber der Entwicklung dieser Richtlinie vorne mit dabei sein. 

Praxisbeispiel: Wie Daten Mobilität fördern 

Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, ist im Autoland Deutschland Autonomes Fahren ein Thema. Im Alltag der Menschen jedoch hat Mobilität eine ganz andere Bedeutung: Wenn eine Person von A nach B gelangen möchte oder muss, kommt es zunächst nicht auf das Verkehrsmittel an. Sondern darauf, dass das Ziel sicher, pünktlich und so bequem wie möglich erreicht wird. Um das zu ermöglichen, hat Materna mit dem Mobility Data Space (MobiDS) eine Pilotplattform entwickelt, die Daten der unterschiedlichsten Verkehrsmittel, vom Zug bis zum E-Roller, integriert. Damit lassen sich Angebote und Bedarf an Personenbeförderungskapazitäten jederzeit in Echtzeit exakt ermitteln und steuern. 

 

Erweiterte Mobilitätsdienste 

In dem Projekt GAIA-X 4 ROMS (Remote Operation Management Services) entwickelt Materna gemeinsam mit 17 Partnern Lösungen für die (Fern-)Steuerung autonomer Fahrzeugflotten im Personen- und Güterverkehr. Basierend auf Mobilitätsdaten aus verschiedensten Quellen für KI-Lösungen lassen sich autonom fahrende Busse und Bahnen im ÖPNV, mobile Packstationen und weitere innovative Mobilitätslösungen in der Zukunft realisieren. Die TraffGo Road GmbH, ein Tochterunternehmen von Materna, beteiligt sich ebenfalls am Projekt GAIA-X 4 ROMS. Das Unternehmen ist spezialisiert auf intelligente Mobilitätslösungen für den Public Sector, beispielsweise im Bereich Smart Parking und Verkehrsteuerungssysteme. TraffGo Road arbeitet in einem Pilotprojekt mit, das Buchungssysteme für Kurzzeitparken in Ladezonen und an Bushaltestellen entwickelt, die über einen Datenraum miteinander vernetzt sind. Damit können Zustelldienste Plätze für das Entladen ihrer Lieferfahrzeuge buchen, ihre Routen optimieren und stressfreier be- und entladen, ohne den Verkehr zu behindern.  

Thomas Feld, Vice President Data Management und AI, Materna

Smart Mobility im Einsatz 

Möglich werden solche dynamischen Verkehrssysteme in Kombination mit dem Forschungsprojekt GAIA-X 4 moveID. Dabei werden Fahrzeuge mit den verschiedensten Komponenten der Verkehrsinfrastruktur in einem gemeinsamen Datenraum vernetzt. Fahrzeuge, Ampeln, Schranken, Parkplatzautomaten, Tankstellen und Ladesäulen erhalten jeweils eine eindeutige digitale Identität, die dezentral in einer Blockchain registriert und validiert wird. Mit dieser Self Sovereign Identity (SSI)-Technologie lässt sich beispielsweise steuern, wann welches Fahrzeug eine Parkbucht oder Bushaltestelle zum Be- und Entladen anfahren darf. Auf diese Weise lassen sich auch dynamische Umweltzonen realisieren – mit verbindlichen Hinweisen für die Fahrer der temporär nicht zugelassenen Fahrzeuge, wie sie die Zone auf dem schnellsten Weg verlassen und bei Bedarf einen P&R-Parkplatz finden können. Stauumfahrungslösungen, die Umleitungen gemäß der tatsächlichen Verkehrsdichte ausweisen, sind so ebenfalls möglich. „Dann ist endlich Schluss mit dem Fahrerfrust, der entsteht, wenn sich die beschilderten Umleitungen und die Anweisungen der Navis widersprechen“, freut sich Thomas Feld.

Nutzer haben das Recht an ihren Daten 

Schon heute ist klar: Die Regelungen der DSGVO werden im Wesentlichen auf den Umgang mit Daten im B2B- und Business to Administration(B2A)-Kontext übertragen. So wird grundsätzlich unterschieden zwischen dem Datenhalter und dem Datenbesitzer. Im Bereich der Industrie bedeutet das: Wer eine Maschine oder Anlage kauft, wird automatisch Eigentümer der Daten, die der Hersteller der Anlage damit sammelt. Das gilt auch bei Leasing, Finanzierung oder Miete. In jedem Fall entscheiden die Nutzer der Maschinen oder Anlagen, was mit diesen Daten passiert, wer sie wofür nutzen darf, ebenso wie Privatpersonen in Bezug auf ihre personenbezogenen Daten. 

Praxisbeispiel: Föderales Datenhaus vernetzt Verkehrszentralen der Autobahn GmbH 

Voraussetzung dafür, dass die beschriebenen Szenarien funktionieren, ist der souveräne Datenaustausch in einer föderierten Datenarchitektur. Eine solche hat Materna für die bundeseigene Autobahn GmbH umgesetzt. Alle Daten, die auf den rund 13.000 Kilometern Autobahn erhoben werden, also etwa von den Induktionsschleifen zur Verkehrsmessung, aber auch von Wettersensoren, Kameras und den Anzeigen der Verkehrsleitsysteme etc. stehen hier zur Verfügung. Die Basis bildet eine von Materna bereitgestellte Integrationsplattform. Darauf aufgesetzt ist eine Benutzerschnittstelle, mit der sich alle Prozesse zentral, länderübergreifend steuern lassen, zum Beispiel das Management der wichtigen Nord-Süd-Korridore zwischen Frankfurt und München. Hier werden die erhobenen Daten für die Verkehrslenkung und -steuerung auf sieben Korridoren für ein breites Anwendungsspektrum bereitgestellt wie Baustellenmanagement, Verkehrsbeeinflussung oder Ereignismanagement.  

Anders als die Anbieter der Navigationssysteme kann die Autobahn GmbH an den neuralgischen Punkten genau sehen, wie es auf den einzelnen Spuren aussieht. In Verbindung mit den Car-Floating-Daten der Hersteller können so neue kooperative Dienste entwickelt werden, welche die Qualität der Navigationssysteme deutlich verbessern, insbesondere was die Berechnung der Reisezeit und darauf basierenden Pausenempfehlungen betrifft.  

Ein wichtiger Bestandteil des Systems, das Datenbanken auf Bundes, Landes- und kommunaler Ebene miteinander verbindet, sind die von Materna entwickelten Konnektoren. Sie prüfen den Datenaustauch permanent automatisch und stellen so sicher, dass die Anforderungen an die Datenqualität und Zugriffsregelungen eingehalten werden. Ein solches automatisiertes Qualitätsmanagement ist unter anderem eine Voraussetzung für Autonomes Fahren.  

 

Praxisbeispiel: Bessere Vorsorge für den Katastrophenfall  

Ein föderales Datenhaus auf kommunaler Ebene plant derzeit die Stadt Freiburg. Hier geht es um Resilienzerhöhung in der Stadt. Das Szenario: In der Freiburger Altstadt mit ihren engen Gassen und belebten Plätzen müssen Einsatzkräfte bei einer Großveranstaltung eine schnelle Evakuierung vornehmen. Um alle Beteiligten optimal auf diese Situation vorzubereiten, hat Materna gemeinsam mit der Stadt, den Polizeien und Feuerwehren ein Konzept entwickelt, um ein übergreifendes Lagebild zur Verfügung stellen zu können. Sensoren im öffentlichen Raum, die nur das Besucheraufkommen, aber nicht den einzelnen Besucher, überwachen, helfen präventiv zu vermeiden, dass zu viele Menschen auf zu engem Raum in eine Massenpanik geraten. Dazu wird schon im Vorhinein definiert, bei welchen Werten welche Bereiche evakuiert, gesperrt oder geöffnet werden, und wie die unterschiedlichen Organe zusammenarbeiten – Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste.  

„Das föderale Datenhaus bietet eine solide Basis für die Entwicklung unterschiedlichster Szenarien und Planungen in Kommunen deutschlandweit“, erklärt Thomas Feld. Dabei sollten die Lösungen auch mit Warnsystemen des Bundes und der Länder vernetzt werden, um beispielsweise den Zustrom von Menschen in einen ohnehin überlasteten Bereich zu unterbinden. Darüber hinaus wird der föderale Datenaustausch im Nachhinein benötigt, um die Daten eines Ereignisses auch für andere Regionen verfügbar zu machen, wo sie in die Notfallpläne und die Verbesserung der Systeme einfließen können.  

Datengetriebene Innovationen und Transformation ergeben sich in verschiedenen Bereichen. Der gesellschaftliche Wandel trägt entscheidend dazu bei. 

Anbieterunabhängige Umsetzung  

Gemeinsam ist allen beschriebenen Praxisbeispielen der technologische Ansatz, der es möglich macht, das föderale Datenmanagement komplett anbieterunabhängig zu realisieren. „Das bedeutet: Auch eine so komplexe Anwendung wie die vernetzten Verkehrszentralen realisieren wir so, dass sie in einer beliebigen Public Cloud laufen oder auch verteilt auf mehrere. Und genauso in privaten Clouds, wenn das die Sicherheitsanforderungen erfordern“, erklärt Thomas Feld. Denn echte Datensouveränität ist nur dort möglich, wo die Anwenderorganisation frei wählen kann, welchem Anbieter sie die Verarbeitung ihrer Daten anvertraut. 

 

Schutz vor Vendor-Lock-in 

Bei der Nutzung von Fahrzeugen bedeutet die neue Reglung: Der Fahrzeughersteller muss die Fahrzeugdaten in gleicher Qualität zur Verfügung stellen, wie er sie intern verwendet, sodass Fahrzeughalter entscheiden können, ob sie ihre Fahrzeuge beim Hersteller oder einem anderen Service-Anbieter warten lassen. Für Städte und Kommunen ergeben sich durch die Regelungen neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit Software- und Hardware-Anbietern für die Verwaltung ihrer öffentlichen Parkplätze. Bisher hatten sie häufig Probleme, an die Daten der Systeme heranzukommen. Künftig gilt: Die Kommune als Eigentümer der Parkflächen bleibt Eigentümerin der Daten, die darauf erhoben werden, und sie bestimmt, was mit den Daten geschieht – immer unter Beachtung der Datenschutzrechte der Fahrzeughalter. Die Betreiber der Smart-Parking-Systeme müssen die Kommune informieren, wenn sie Daten an Dritte weiter vergeben. Die Kommune kann entscheiden, die Daten an andere Dienstleister zu übertragen. Kurz: Die Behörde wird zum Föderator über alle Daten, die sie erhebt. Das gilt auch für Softwareprodukte, mit denen Behörden ihre Verwaltungsprozesse abwickeln. Auch bei diesen Fachverfahren behält die beauftragende Behörde jeweils die Kontrolle über die damit erfassten Daten.

 

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